Das Lehrlingsschiedsgericht
Wenn im Ausbildungsverhältnis Streitigkeiten entstehen, die vom Lehrlingswart nicht mehr bereinigt werden können – und dies sind in erster Linie die Kündigungen – muss der Auszubildende, wenn er seine Rechte wahrnehmen möchte, zunächst das Lehrlingsschiedsgericht einschalten. Eine unmittelbare Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht ist unzulässig. § 111 Abs. 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes regelt, dass ein Ausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildern und Auszubildenden gebildet werden kann.
Bei allen Innungen der Kreishandwerkerschaft und der Bauinnung besteht dieser Ausschuss. Die Innungen wählen hierfür den Meister- und den Gesellenbeisitzer. Vorsitzender des Lehrlingsschiedsgerichtes ist seit 1990 Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Höser, HDuP-Rechtsanwälte aus Frechen.
Ziel des Verfahrens ist eine möglichst schnelle Erledigung der Streitigkeit. Denn ein Prozess vor dem Arbeitsgericht, sollte es nicht zu einer Einigung kommen, ist sowohl für den Auszubildenden als auch für den Lehrherrn mit dem Risiko eines oft ungewissen Ausgangs verbunden. Die Dauer eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht kann bis zu 2 Jahren betragen; ein Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht weitere 1 bis 2 Jahre. Ein Betrieb, der dann den Prozess verlieren würde, müsste u. U. die Lehrlingsvergütung nachzahlen, auch die Differenz zum “entgangenen“ Gesellenlohn.
Die meisten Fälle sind rechtlich eindeutig. Dies jedenfalls dann, wenn die Betriebe folgende wichtige Grundregeln beachten:
- Ein Berufsausbildungsverhältnis kann, nach Ablauf der Probezeit, nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt bei erheblicher Gefährdung des Ausbildungsziels und Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses vor. Maßgeblich ist der Einzelfall, was im Rahmen einer Interessenabwägung geprüft wird.
- In der Regel, bei verhaltensbedingten Gründen – wie z. B. Verspätungen oder Unterlassen des Besuchs der Berufsschule – muss eine klare und korrekte Abmahnung vor einer Kündigung erfolgen. Eine Abmahnung ist nur dann entbehrlich, wenn der Auszubildende jede Einsicht vermissen lässt, obwohl ihm die Gefährdung des Ausbildungsverhältnisses klar gemacht wurde oder wenn das Verhalten durch den Betrieb offensichtlich nicht mehr hingenommen werden muss (z. B. bei einem Diebstahl).
- Die Kündigung muss schriftlich erfolgen. Das Kündigungsschreiben muss vom Betriebsinhaber unterzeichnet sein.
- Bei einer fristlosen Kündigung nach Ablauf der Probezeit müssen die Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben vollständig angegeben werden. Ein Nachschieben von Kündigungsgründen ist unzulässig. Alle Kündigungstatsachen müssen eindeutig beschrieben sein.
Die fristlose Kündigung muss innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis des wichtigen Grundes erklärt werden und die Kündigung muss dem Auszubildenden auch innerhalb dieser 2-Wochenfrist zugeben.
Nachfolgende Beispiele sind von der Rechtsprechung als Kündigungsgrund anerkannt: Häufiges Zuspätkommen, unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit, wiederholt verspätetes Vorlegen des Berichtsheftes, mehrfaches Fehlen in der Berufsschule – jeweils trotz vorhergehender Abmahnungen; Übertreten des Urlaubs, eigenmächtiger Urlaubsantritt, anderweitige Arbeit während krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, grobe Beleidung oder Bedrohung des Ausbilders, Diebstahl, Handeln mit Betäubungsmitteln im Betrieb.
Eine fristlose Kündigung kurz vor Abschluss der Ausbildung ist kaum noch möglich. Entscheidend ist jedoch stets der Einzelfall.
Der Ausschuss entscheidet über Streitigkeiten aus dem Ausbildungsverhältnis. Hierzu gehören auch unerlaubte Handlungen (z. B. Unterschlagungstaten durch den Auszubildenden), soweit diese mit dem Ausbildungsverhältnis im Zusammenhang stehen.
Dies bedeutet, dass auch der Ausbildungsbetrieb ein Verfahren vor dem Lehrlingsschiedsgericht beantragen kann.
Die Verhandlungen vor dem Ausschuss sind nicht öffentlich. Die zum Verhandlungstermin mitgebrachten Beweise, hierzu gehören auch Zeugen, werden bei der Entscheidung berücksichtigt, soweit die Beweise zur Klärung des Sachverhalts erforderlich sind.
Das Verfahren vor dem Lehrlingsschiedsgericht kann abgeschlossen werden durch eine gütliche Einigung (Vergleich) oder eine Entscheidung. Wenn weder eine Einigung noch eine Entscheidung möglich sind, stellt der Ausschuss fest, dass ein Schiedsspruch nicht zustande gekommen ist.
Erscheint eine Partei zum Termin vor dem Lehrlingsschiedsgericht nicht, kann auf Antrag der anderen Partei ein Säumnisspruch ergehen.
Ein Vergleich, der vor dem Schiedsgericht vereinbart wird, hat die gleichen Wirkungen, wie ein Vergleich, der vor dem Arbeitsgericht geschlossen wird.
Jeder Beteiligte trägt die ihm durch das Verfahren entstandenen Kosten selbst. Zum Termin mitgebrachte Zeugen erhalten keine Entschädigung. Die Gebührenordnungen der Innungen regeln, ob der Ausbildungsbetrieb die durch die Tätigkeit des Ausschusses entstandenen Kosten ganz oder teilweise zu tragen hat.
Der Ausschuss ist sehr darum bemüht, dies gilt insbesondere bei Kündigungen, so schnell wie möglich das Verfahren durchzuführen.
Denn für die Ausbildungsbetriebe ist es wichtig, alsbald eine rechtliche Klarheit darüber zu gewinnen, ob z. B. eine Kündigung wirksam ist oder nicht. In fast allen Fällen gelingt es auch mit Hilfe der Fachkundigen Beisitzer eine für den Auszubildenden und den Ausbildungsbetrieb faire und sachgerechte Lösung zu finden.
Für Fragen insbesondere zum Thema Abmahnung und Kündigung steht die Kreishandwerkerschaft für ihre Innungsbetriebe gerne zur Verfügung.
Frechen, 29.05.2012
Frau Koyka
Rechtsanwältin und Mediatorin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Vorsitzende des Lehrlingsschiedsgerichts
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